Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Juni 2018 – III ZR 54/17 – zum Amtshaftungsanspruch nach Verunreinigung eines Grundstück durch PFOS-Löschschaum

Der Einsatz von PFOS-Schaummittel beim Löschen eines Brandes kann aufgrund von Ermessensfehlern zum Entstehen eines Schadensersatzanspruchs aus Amtshaftung zugunsten von Grundstückeigentümerinnen entstehen. Für den Einsatzleiter als Berufsfeuerwehrmann ist es erkennbar, wenn der Einsatz von PFOS-Löschschaum keine feuerwehrtechnischen oder -taktischen Vorteile gegenüber anderen Schaummitteln bietet.

Anlass für diese Entscheidung bot dem Bundesgerichtshof ein Fall aus dem Badischen: Geklagt hatte die Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Handelsunternehmens befanden. Am Abend des 8. Februar 2010 brach dort ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine weitere benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr zwischen der brennenden Halle der Grundstückseigentümerin und der benachbarten Lagerhalle ein perfluoroctansulfathaltiges[1] Schaummittel (künftig: PFOS-Schaum) ein. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Die beklagte Stadt gab der Grundstückseigentümerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf.

Die Grundstückseigentümerin verlangte von der Stadt u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des PFOS-Schaums. Weiter verlangte sie Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Sie hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Stadt verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.

Das Landgericht hat – nach Zeugenvernehmung und Erhebung von Sachverständigenbeweis – die Klage im Hinblick auf die bislang angefallenen Sanierungskosten und den Ersatz des Wertverlustes des Grundstücks dem Grunde nach für berechtigt erklärt sowie festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin von weiteren, auch künftigen Bodensanierungskosten aufgrund des Feuerwehreinsatzes freizustellen und ihr alle weitergehenden materiellen Schäden aus diesem Einsatz zu ersetzen habe. Die gegen das Urteil von der beklagten Stadt eingelegte Berufung war nicht erfolgreich. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Stadt der Klägerin für eine schuldhafte Amtspflichtverletzung einzustehen habe. Der Einsatz des PFOS-Schaums sei ermessenfehlerhaft und daher amtspflichtwidrig gewesen. Die Entscheidung über geeignete Maßnahmen zur Brandbekämpfung liege im Ermessen des Feuerwehreinsatzleiters, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten müsse. Der Einsatzleiter habe jedoch nicht angemessen abgewogen und die Umweltgefahren des Schaummittels nicht hinreichend berücksichtigt. Infolge seiner fehlerhaften Annahme, zum Aufhalten des Brandes an der Grundstücksgrenze habe es keine Alternative gegeben, habe er sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Diese Ermessensunterschreitung sei für den entstandenen Schaden ursächlich gewesen. Bei korrekter Ausübung seines Ermessens hätte der Einsatzleiter den PFOS-Schaum nicht eingesetzt, da er keine feuerwehrtechnischen oder -taktischen Vorteile gegenüber anderen Schaummitteln bot. Der Stadt wird hinsichtlich des Ermessensfehlers des Einsatzleiters zumindest fahrlässiges Verhalten vorgeworfen. Der Einsatzleiter hätte die Umweltgefahren als Berufsfeuerwehrmann erkennen müssen. Als beruflichem Nothelfer komme ihm auch kein Haftungsprivileg nach § 680 BGB zugute, das seine Einstandspflicht – und damit auch die der Beklagten – auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt hätte.

Auch die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG gegen die Beklagte zu. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters, den PFOS-Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die Lagerhalle zu verhindern, ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war, so der BGH. Die Beklagte hatte vorgebracht, dass das Ermessen des Einsatzleiters zugunsten der Verwendung des PFOS-Schaums schon deshalb auf Null reduziert gewesen sei, da nicht auszuschließen war, dass sich noch Personen in dem betroffenen Nachbargebäude befanden. Das Berufungsgericht habe dem Einsatzleiter laut BGH dennoch zu Recht vorgeworfen, sein Ermessen bei der Auswahl des Mittels zur Verhinderung des Brandübergriffs nicht erkannt und ausgeübt zu haben. Von mehreren geeigneten Mitteln sei vom Einsatzleiter das den Betroffenen am wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigende auszuwählen. Das Berufungsgericht stellte auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahmefest, dass es während des Brandes keine Situation gab, die den Einsatz des PFOS-Schaums gerechtfertigt hätte. Die speziellen Eigenschaften dieses Schaummittels, auf einer brennenden Oberfläche einen Film zu bilden, hätte es nicht gebraucht. Denn die Oberfläche sei nicht geeignet gewesen und andere nicht-fluorhaltige Schaummittel hätten die gleichen Ergebnisse erzielt. Auch habe der PFOS-Schaum im Vergleich zu anderen weniger umweltgefährdenden Löschmitteln keine Vorteile geboten. Selbst zum Schutz eventuell noch in der Nachbarhalle befindlicher Personen hätte der PFOS-Schaum nicht eingesetzt werden dürfen. Das Berufungsgericht habe außerdem ohne Rechtsfehler angenommen, dass die pflichtwidrige Unterschreitung des dem Einsatzleiter zukommenden Auswahlermessens ursächlich für den Schaden war. Auch die Annahme, dass dem Einsatzleiter zum Zeitpunkt des Brandereignisses die von der Verwendung des PFOS-Schaums ausgehenden Umweltgefahren hätten bekannt sein müssen und somit ein fahrlässiges und damit schuldhaftes Unterschreiten des Ermessens gegeben sei, sei laut BGH rechtsfehlerfrei. Eine Haftungsprivilegierung im Sinne von § 680 BGB könne dem Einsatzleiter – und damit auch der Beklagten – nicht zugutekommen, da dieser Haftungsmaßstab im Fall der in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgten Gefahrenabwehr nicht anwendbar sei.

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[1] So wörtlich im Urteil des BGH. Die Abkürzung PFOS meint jedoch die chemische Verbindung Perfluoroctansulfonsäure.

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