Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 22. Juni 2009 – 14 K 1699/08 – zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers für PFT/PFAS-Belastungen durch Unternehmen
Artikel als PDF herunterladenFür PFT-belastete Grundstücke können nicht nur die Unternehmen, die die Belastung verursacht haben, haften. Bei einer Insolvenz der verursachenden Unternehmen kann unter Umständen auch dessen Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden.
In den Verfahren vor dem VG Arnsberg ging es um bodenschutzrechtliche Maßnahmen für Grundstücke in der Stadt Brilon, die mit PFT verseucht waren. Die Belastung wirkte bis ins Grundwasser der Stadt. Nach umfassenden Erforschungsmaßnahmen war die sehr hohe PFT-Konzentration auf zwei Unternehmen zurückzuführen, die mitunter einen stark PFT-belasteten „Bodenverbesserer“ als Düngemittel für landwirtschaftliche Ackerflächen vertrieben hatten. Nachdem beide Unternehmen Insolvenz angemeldet hatten, nahm die Behörde im Jahr 2006 deren ehemaligen Geschäftsführer in die Verantwortung und verpflichtete ihn, zahlreiche Sanierungsmaßnahmen nach §§ 10, 4 BBodSchG an den belasteten Grundstücken vorzunehmen. Zur Begründung führte die Behörde aus, der Geschäftsführer habe als solcher persönlich die Geschicke beider Firmen geleitet und letztlich das Inverkehrbringen des PFT-belasteten Material gelenkt. Weil der Geschäftsführer ordnungsrechtlich als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werde, komme es auf eine Kenntnis oder gar auf eine strafrechtliche Vorwerfbarkeit hinsichtlich der PFT-Belastung nicht an. Ordnungsrechtlich sei auf die Effizienz der Gefahrenabwehr abzustellen, so dass vor diesem Hintergrund die Inanspruchnahme gleichermaßen zulässig und auch angezeigt sei.
Hiergegen wehrte sich der Geschäftsführer mit seiner Klage. Er führte an, dass sein eigenes Handeln für mögliche Bodenverunreinigungen nicht kausal sei. Zwar sei er Geschäftsführer der Unternehmen gewesen. Durch persönliches Handeln habe er eine Umweltgefährdung jedoch nicht herbeigeführt.
Das VG stellt in Übereinstimmung mit dem vorab geführten Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.03.2007 - 20 B 61/07) fest, dass der Geschäftsführer tatsächlich persönlich verantwortlich ist. Es führt aus, dass im Polizei- und Ordnungsrecht der für eine juristische Person maßgeblich Handelnde nicht schon wegen dieser Stellung von jeder eigenen Verantwortlichkeit frei sei. Anknüpfungspunkt für einen Zugriff auf ihn sei, dass er (auch) in seiner Person die Voraussetzungen der Verhaltensverantwortlichkeit erfülle. Sind diese Voraussetzungen gegeben, stehe der persönlichen Inanspruchnahme des Betreffenden nicht entgegen, dass sein Handeln unter Umständen auch der juristischen Person zugerechnet werden kann, mit der Folge, dass die juristische Person ordnungsrechtlich für sein Handeln einzustehen habe. Eine derartige Zurechnung sei nicht ausschließlich in dem Sinne, dass sie den Handelnden von seiner eigenen Verantwortlichkeit befreie. Damit übereinstimmend habe die Behörde in der Ordnungsverfügung ihre Annahme, der Kläger sei Verursacher, nicht allein und formal auf dessen Rechtsstellung als Geschäftsführer gestützt, sondern in erster Linie die persönliche Leitung und Lenkung der für die Aufbringung des PFT-haltigen Materials auf den betroffenen Flächen maßgeblichen Vorgänge hervorgehoben und durch eine umfassende Auswertung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte dargelegt.
Das Gericht betont weiter, dass die Verhaltensverantwortlichkeit weder Verschulden noch das Bewusstsein oder den Willen, einen rechtswidrigen Zustand herbeizuführen, erfordere. Da der Geschäftsführer sowohl Zielsetzung als auch die betrieblichen Abläufe gelenkt habe, sei er öffentlich-rechtlich verantwortlich für die PFT-Belastung: Der Kläger war als Geschäftsführer beider Unternehmen dazu berufen, diesen Geschäftszweck wirtschaftlich erfolgreich zu realisieren und sich um die hierfür erforderlichen Angelegenheiten, beginnend mit der Akquirierung der Ausgangsstoffe und endend mit dem "Absatz" des Gemischs, zu kümmern. Das mag wegen der von den beiden Unternehmen Beschäftigten zwar nicht damit verbunden gewesen sein, dass der Kläger eigenhändig an den einzelnen Arbeitsschritten mitgewirkt und/oder auf Leitungsebene der Unternehmen persönlich sämtliche Einzelheiten erledigt habe, indem er etwa die "Abnehmer" des Gemischs und die Aufbringungsflächen bestimmt habe. Das bedeute aber nicht, dass der Kläger nicht die für die wertende Zurechnung der schädlichen Bodenveränderungen wesentlichen Verursachungsbeiträge innerhalb der beiden Unternehmen selbst gesetzt hat. Denn es spreche nichts dafür, dass er entgegen seiner Stellung in den Unternehmen und seinen wirtschaftlichen Zielsetzungen die betrieblichen Abläufe nicht in vollem Umfang selbst konzipiert und durch generelle Anordnungen sowie sonstige Vorgaben im Sinne der Ausrichtung des gesamten betrieblichen Geschehens auf den Geschäftszweck gesteuert hat. Insbesondere deute nichts darauf hin, dass die Beschäftigten, die etwa die Ausgangsstoffe miteinander vermischt oder das Gemisch transportiert haben, hierbei nicht innerhalb des ihnen vom Kläger zugewiesenen Aufgabenbereichs gehandelt haben, nicht von Weisungen gerade des Klägers abhängig waren und/oder diese Weisungen nicht befolgt haben. Auch sei nichts dafür erkennbar, dass anstelle des Klägers Dritte ausschlaggebende Funktionen innerhalb der beiden Unternehmen wahrgenommen haben könnten.