Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. August 2011 – 10 K 2228/09 – zur Einleitung PFT-belasteten Abwassers in öffentliche Anlagen
Artikel als PDF herunterladenPerfluorierte Tenside sind Stoffe, die grundsätzlich geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Sie sind grundsätzlich geeignet, im Wasserkreislauf Gefahren oder erhebliche Nachteile zu bewirken.
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das Komponenten für die Automobilindustrie produziert und über eine eigene Abwasserbehandlungsanlage verfügt. Nach Reinigung des Abwassers wird dieses in die öffentliche Kanalisation eingeleitet und einer Kläranlage zugeführt, wozu die Klägerin 2001 eine wasserrechtliche Genehmigung zur Indirekteinleitung erteilt wurde. Das in der Produktion der Klägerin anfallende Abwasser enthielt jedoch Schadstoffe aus dem Bereich der Perfluorierten Tenside (PFT), insbesondere Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in einer Konzentration bis zu etwa 500.000 Nanogramm (ng) je Liter. Als die Behörde die Genehmigung aus dem Jahr 2001 aufgrund der hohen PFOS-Belastung widerrief, erhob das Unternehmen Klage gegen den Widerruf. Die Behörde war der Ansicht, dass die erteilte Genehmigung im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 WHG in der seinerzeit geltenden Fassung gestanden habe. Nach § 6 Abs. 1 WHG a.F. waren die Erlaubnis und die Bewilligung zu versagen, soweit von der beabsichtigten Benutzung (eines Gewässers) eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen oder durch Maßnahmen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verhütet oder ausgeglichen wird.
Die Klage war erfolglos. Die Belastung des im Betrieb der Klägerin entstehenden Abwassers mit PFT könne laut VG Düsseldorf eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit befürchten lassen, wenn dieses Abwasser über die öffentliche Kanalisation und die Kläranlage in ein Gewässer gelangen würde. Diese Befürchtung könne nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass die Indirekteinleitung des Abwassers der Klägerin den für den maßgeblichen Herkunftsbereich festgelegten Anforderungen der damals geltenden Abwasserverordnung entsprach. Daraus, dass dort keine Grenzwerte für PFT festgesetzt werden und auch die Chemikalienverbotsverordnung hinsichtlich PFOS eine Ausnahmeregelung für galvanische Betriebe enthält, könne nicht abgeleitet werden, dass die Klägerin Abwasser mit hoher PFT-Konzentration in die öffentliche Abwasseranlage einleiten dürfe und der Beklagte gehindert wäre, Maßnahmen zur Reduzierung dieser Schadstoffbelastung zu ergreifen. Denn Perfluorierte Tenside seien grundsätzlich geeignet, im Wasserkreislauf Gefahren oder erhebliche Nachteile zu bewirken. Eine solche Eignung bestehe, wenn im Hinblick auf den Wasserhaushalt nachteilige Auswirkungen einer gewissen Mindestintensität hinreichend wahrscheinlich seien. Der erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit bestimme sich nach Art und Ausmaß des drohenden Schadens einerseits und des hohen Schutzes, den die Gewässer genießen, andererseits. Substanzen, die das Wasser verunreinigen oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften hervorrufen (§ 1a Abs. 2 WHG a.F.), gehören nicht in Gewässer, umso weniger in Wasservorkommen, die - wie hier die Ruhr - konkret für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt werden, so das VG. Angesichts der zentralen Bedeutung der Erhaltung und des Schutzes der naturgegebenen Wasservorkommen, vor allem der als Ausgangsstoff für die Trinkwasserversorgung nutzbaren und genutzten Wasservorkommen, reiche selbst ein nur geringer Grad an Wahrscheinlichkeit der nachteiligen Beeinflussung der Nutzbarkeit des Wassers zu diesen Zwecken aus.
Gemäß § 6 Abs. 1 TrinkwV 2001 dürfen im Trinkwasser chemische Stoffe außerdem nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen; Konzentrationen von chemischen Stoffen, die die Beschaffenheit des Trinkwassers nachteilig beeinflussen können, sollen so niedrig gehalten werden wie möglich. Die Folgen von PFT für die menschliche Gesundheit seien zwar noch nicht abschließend geklärt; hinlänglich gesichert sei jedoch, dass PFT wissenschaftlich einhellig als Stoffe mit erheblichem gesundheitlichen Risikopotential eingestuft werden. Perfluorierte Tenside seien daher Stoffe, die nach allen derzeit vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich geeignet seien, die menschliche Gesundheit zu schädigen, so dass sie im Wasser und namentlich im Trinkwasser grundsätzlich nichts verloren hätten. Das Fehlen eines Grenzwerts für diese Stoffe sei mithin kein Umstand, der gegen die Schädlichkeit ihrer Einleitung in Gewässer angeführt werden könnte.