Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 6 K 791/16 – zu den hohen PFAS-Belastungen in Rastatt

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Für die rechtmäßige Anordnung einer bodenschutzrechtlichen Untersuchung muss nicht mit absoluter Gewissheit feststehen, dass der zur Durchführung Verpflichtete die PFC-Belastung (mit-)verursacht hat. Es genügt, wenn der hinreichend gestützte Verdacht eines erheblichen Verursachungsbeitrags besteht.

Hintergrund der Entscheidungen ist der sogenannte PFC-Skandal in Rastatt, Baden-Württemberg. Dort sind erhebliche PFC-Belastungen auf Ackerflächen und im Grundwasser nachgewiesen worden. Ein regionaler Komposthändler hatte in den 2000er Jahren mutmaßlich PFC-belastete Papierschlämme von 14 verschiedenen Papierfabriken angenommen, mit Kompost vermischt und als Dünger an die Landwirte verschenkt. Teile der Chemikalienmischung sickerten unbemerkt aus den Böden in das Grundwasser und wurden erst Ende 2012 durch die Stadtwerke Rastatt bei einem Screening nachgewiesen; Untersuchungen von Boden und Wasser folgten. 32 Landwirte hatten den mutmaßlich PFC-belasteten Papierschlammkompost auf die Äcker ausgebracht, aktuell sind insgesamt rund 125 Landwirte in Nord- und Mittelbaden durch verunreinigten Boden oder Bewässerungswasser oder beides betroffen. Im September 2014 hatte man die PFC bereits auf 240 Hektar Ackerfläche gefunden (Rastatt, Landkreis 2016). Im Jahr 2022 und 8.189 Boden-Analysen später sind es 1.105 Hektar, auf denen sich eine Mischung lang- und kurzkettiger PFC samt großer Vorläuferverbindungen wie polyfluorierte Alkylphosphatester (PAP) und Perfluoroktansulfonamidoethanol-basierte Phosphatester (SAmPAP) finden.

In diesem Verfahren vor dem VG Karlsruhe wandte sich der Komposthändler als Kläger ohne Erfolg gegen die bodenrechtliche Untersuchungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG, die ihm mit Bescheid von 26.09.2014 aufgetragen wurden. Demnach sollte er die Detailuntersuchung der Grundwasserbelastung vornehmen oder ersatzweise die Kosten der Durchführung durch die Behörde (ca. 250.000 €) zahlen (Ersatzvornahme). Der Kläger war der Ansicht, dass er weder die Untersuchung vorzunehmen habe noch deren Kosten zahlen müsse. Er stützte sich insbesondere darauf, dass nicht bewiesen werden könne, dass sein Unternehmen für die hohen Belastungen verantwortlich sei.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das VG Karlsruhe führte aus, dass die Behörde den Kläger zu Recht als Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen eingestuft habe. § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ermögliche bereits dann eine Inanspruchnahme für die Durchführung der notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung, wenn nur der (hinreichende) Verdacht einer Verseuchung des Bodens bestehe. Dies bedinge, dass häufig auch hinsichtlich der Frage des Verursachers der potenziellen schädlichen Bodenveränderung noch keine endgültige Klarheit bestehe. Könne der abschließende Nachweis in Bezug auf die als Verursacher verantwortlich gemachte Person noch nicht erbracht werden, müssten zum Ausschluss spekulativer Erwägungen und bloßer Mutmaßungen aber zumindest objektive Faktoren als tragfähige Indizien vorhanden sein, die den Schluss rechtfertigen, zwischen dem Verhalten der in Anspruch genommenen Person und der eingetretenen Gefahrenlage bestehe ein gesicherter Ursachenzusammenhang. Vorliegend habe dieser Verdacht nach Auffassung des Gerichts bestanden. Die Klägerin legte Zulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ein, die jedoch erfolgslos blieb (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.2019 - 10 S 2788/17).

Die hier besprochene Entscheidung ist nur eine Facette der weiterhin andauernden gerichtlichen Aufklärung der hohen PFC-Belastung in Rastatt. So entschied das VG Karlsruhe etwa am 26.10.2022 (VG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.2022 - 6 K 2735/20), dass die Behörde die Kosten einer Folgeanordnung aus dem Jahr 2016 gegen den Komposthersteller trotz der festgestellten Verantwortlichkeit teilweise tragen muss, da sie zu früh mit der ersatzweisen Vornahme der Untersuchungen begonnen habe. Auch entschied der VGH Baden-Württemberg, dass der Komposthersteller die Veröffentlichung der mutmaßlichen Ursachen der hohen PFC-Belastung durch das Umweltbundesamt (UBA) zu dulden hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Juli 2021 – 10 S 1585/21). Weiterhin läuft derzeit ein Klage der Stadtwerke Rastatt gegen das Land Baden-Württemberg, um eine Aufteilung der Mehrkosten des PFC-belasteten Grundwassers zu erreichen, indem die PFC-Belastung in den sogenannten Gewässerbewirtschaftungsplan aufgenommen wird.

Auch die Behörden sind weiterhin mit der hohen Belastung beschäftigt. So wurde in Mittelbaden die Geschäftsstelle PFC am Landratsamt und die Stabsstelle PFC am Regierungspräsidium Karlsruhe neu eingerichtet. Auch die Ministerien und Behörden sind mit jeweils verschiedenen Abteilungen, Referaten und Fachbereichen im Rahmen ihrer fachlichen Zuständigkeit seit Jahren intensiv mit der Thematik befasst. Mittlerweile haben auch die betroffenen Kommunen PFC-Beauftragte als Ansprechpartner.

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